Jochen Stolla

alle Blogartikel

Cloud oder nicht Cloud?

Eine Entscheidungshilfe, Teil 2

20.05.2020

Im ersten Teil habe ich versucht, Unterschiede zwischen dem System „Lernplattform“ und der Arbeit mit Einzeltools herauszuarbeiten. Was bedeutet das nun für meine Kurse? Unter welchen Voraussetzungen fahre ich mit dem einen oder mit dem anderen besser?

In welchem Umfang will ich mit digitalen Methoden arbeiten?

Will ich nur hier und da einmal ein Quiz einsetzen, ein PDF bereitstellen, eine Aufgabe an einem Youtube-Video aufhängen? Dann wird es sich kaum lohnen, einen voll ausgestatteten Kursraum im Lern-Management-System einzurichten. Ähnlich verhält es sich, wenn ich zwar regelmäßig mit meinen Teilnehmenden digital arbeite, aber die Methoden sich auf wenige beschränken. Wenn meine Teilnehmenden zwar regelmäßig gemeinsam online Texte bearbeiten, aber dies meine einzige digitale Methode ist, dann reicht mir ein Etherpad. Auch in diesem Fall kommen die Vorteile eines LMS kaum zum Tragen.

Sind die digitalen Methoden unabdingbarer Bestandteil meines Kurses?

Wenn die digitalen Angebote kein freiwilliges Add-on zu meinem Kurs sind, sondern unverzichtbar im Gesamtkonzept, bedeutet das für mich mehr Verantwortung. Ich trage Mitverantwortung dafür, dass die Lernenden Zugang zu den Lernmedien haben. Gegebenenfalls muss ich intensive Unterstützung leisten.

Zugleich kann es dann ein Vorteil sein, wenn alle digitalen Aktivitäten unter einem Dach stattfinden. Und der der Datenschutz hätte größeres Gewicht. Datenschutzrechtlich unproblematisch sollte für mich jedes Tool sein, von dem ich sagen kann: Verwende es oder nicht, du entscheidest, ob du der Datenschutzerklärung des Anbieters zustimmen willst. Andernfalls muss ich darauf vertrauen, dass die Teilnehemenden bereit sein werden, ihre Daten Google oder Zoom anzuvertrauen (die meisten werden dazu bereit sein), oder aber ich darf Daten nur dort speichern und verarbeiten lassen, wo der rechtliche Rahmen mit der VHS geklärt ist.

Sind meine Teilnehmenden bereit, technischen Aufwand zu betreiben?

Auf einer Lernplattform zu arbeiten bedingt, sich technisch dafür einzurichten. Ein Benutzerkonto muss angelegt, eine App installiert, Kommunikationskanäle umgeleitet werden. Und wenn nun in meinem Kurs Menschen sitzen, die den Kontakt mit Technik gern auf das Nötigste beschränken: Will und soll ich das dann von ihnen verlangen?

Sind meine Teilnehmenden bereit, sich mit technischen Fragen auseinanderzusetzen?

Und Technik will nicht nur eingerichtet, sondern auch verstanden werden. Auch in diesem Punkt lohnt es sich, den Teilnehmenden tief in die Augen zu schauen und sich zu fragen: Wie viel Freude haben sie an technischen Herausforderungen? Wie viel Unmut ruft es hervor, wenn sie technische Zusammenhänge nicht auf Anhieb durchschauen?

Werden die Teilnehmenden die digitalen Angebote nutzen?

Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht: Wenn ich etwas anbiete, wird es noch lange nicht genutzt. Und das gilt ganz besonders für Angebote zum digitalen Lernen. Da genügt es nicht, gebetsmühlenartig die Vorzüge und den Mehrwert digitaler Bildung zu beschwören. Nein, der Erfolg digitaler Bildung beruht nicht auf dieser Art von Überzeugungsarbeit. Nutzer*innen brauchen echte Gründe, digital zu arbeiten, nicht meinen erhobenen Zeigefinger, dass es schon zu ihrem Besten sei. Das ist aus meiner Sicht entscheidend beim digitalen Unterrichten und beugt Frustration vor: sich zu überlegen, was die Teilnehmenden zur Nutzung meiner Angebote bewegen wird.

In welchem Verhältnis steht mein eigener Aufwand zum Nutzen?

Eine Etherpad-Seite ist in zwei Minuten angelegt, eine Mentimeter-Umfrage in fünf. Einen Kursraum in einem Lern-Management-System einzurichten, kostet erheblich mehr Zeit. Unter welchen Umständen lohnt sich der höhere Aufwand? Das muss jede/r Kursleiter/-in für sich abwägen. Kritierien können sein:

Was sagt meine Bildungseinrichtung dazu?

Die Haltung von Bildungseinrichtungen zu Lernplattformen, besonders von Volkshochschulen zur VHS-Cloud ist unterschiedlich. Die einen gewähren ihren Lehrenden volle Freiheit, was die Wahl der technischen Tools betrifft, andere bestehen darauf, dass alle digitalen Angebote auf der eigenen Plattform platziert werden.